Samstag, 9. Juli 2011

"Gab es die Sumerer doch?!" - Teil 1: Die C14-Kritik

Vorwort

Ein Thema, dem ich mich schon länger widmen will, ist die Chronologiekritik von Gunnar Heinsohn und ihm nahestehende Chronologiekritiker.Auf dieses Thema wurde ich durch das sehr empfehlenswerte Buch von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger: "Eigentum, Zins und Geld"(Metropolis Verlag, 4. Auflage, 2006), aufmerksam. Über die darin vorkommende Kritik, habe ich bereits im Preview zu dieser Serie geschrieben. Der Titel dieses Beitrags ist eine Anspielung auf das Buch von Gunnar Heinsohn: "Die Sumerer gab es nicht"(Mantis Verlag, 1988). Ich möchte dieses Thema sehr ausführlich in einer längeren Serie behandeln und auf viele Aspekte eingehen. Das Hauptaugenmerk soll jedoch auf den  naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden liegen. Sollten Verfahren zur Datierung, wie die 14C-Datierung und Dendrochronologie - entgegen den Behauptungen der Chronologiekritiker - einen Gültigkeitsanspruch haben und sollte es darüber hinaus anhand von Funden möglich sein, die Kritik zu widerlegen, wird diese Serie etwas kürzer ausfallen. Sollten sich jedoch die Zweifel der Chronologiekritiker bestätigen und die Methoden gravierende Mängel aufweisen, so wird diese Serie zur Chronologiekritik deutlich länger werden und es wird sehr ausführlich über die gesamte Kritik berichtet werden.

Da die naturwissenschaftlichen Methoden natürlich die ersten Einwände sind, die gegen eine Kritik der Chronologie angeführt werden, werden diese Methoden selbstverständlich von den Chronologiekritikern thematisiert. In diesem ersten Teil sollen zuerst die Kritikpunkte an den Methoden vorgestellt werden. Das werde ich anhand des Buches von Christian Blöss und Hans-Ulrich Niemitz: "C14-Crash"(Verlag IT&W, 2. Auflage, 2000) tun. Auf der Homepage von Christian Blöss ist das komplette Buch zu finden: "C14-Crash". Außerdem findet man dort noch eine kurze Einführung in die Kritik: "C14-Crashkurs" und einen Vortrag an der HTWK Leipzig. Das Buch ist zwar schon ein wenig betagt, jedoch habe ich etwa auf Seiten wie fantomzeit.de keine neuere Kritik gefunden und dort wird auch in neueren Beiträgen auf dieses Buch verwiesen, somit gehe ich davon aus, dass ich durch eine Kurzfassung der Kritik an der 14C-Methode durch dieses Buch den Chronologiekritikern gerecht werden sollte. Auf eine Beschreibung der Methoden möchte ich verzichten. Ein detailliertes Wissen über diese Methoden ist für diese Serie nicht wichtig und ich denke, dass ein sehr grobes Verständnis ausreicht. Eine grundlegende Beschreibung kann man sich durch überfliegen folgender Wikipedia Artikel aneignen:


Teil 1: Die 14C-Kritik

Der größte Kritikpunkt an der Methode der 14C-Datierung lässt sich schnell erklären. Das Problem der Methode sei die Eichung mit der Dendrochronologie durch einen Zirkelschluss.
Fig. 1: Vordatierung einer
Dendroreihe durch 14C
(Quelle: "C14-Crashkurs" S. 1)
Um diesen Zirkelschluss zu verstehen, muss erstmal auf die Vordatierung der Dendrochronologiereihen eingegangen werden. Man nutzt 14C nämlich, um Baumringproben "vorzudatieren". Der Grund dafür ist, dass Baumringsquenzen (Abfolge der Baumringbreiten)  zwar fast eindeutig sind, aber eben nur fast. Eine Baumringsequenz kann gelegentlich auch an einer anderen Stelle in der Baumringreihe passen. Das heißt, man könnte eine etwa 2000 Jahre alte Probe aufgrund ihres Musters aus Versehen auch an eine auf 1000 oder 3000 Jahre datierte Stelle in der Chronologie anhängen, da die Muster (Synchronlagen) ähnlich sind. Daher ist es notwendig die Proben grob vorzudatieren (Siehe Fig. 1). Für die Vordatierung durch 14C muss man davon ausgehen, dass die 14C Konzentration in der Atmosphäre in der Vergangenheit konstant war. Ein grundlegendes Problem der 14C-Datierung ist nämlich, die mangelnde Möglichkeit, wie bei anderen radiometrischen Datierungen, das Verhältnis zum Tochterisotop (also dem Zerfallsprodukt) zu messen. Wäre dies möglich, so könnte man das Verhältnis der Isotopen bestimmen und somit auf die zerfallen Menge schließen. Da aber 14C durch β-Zerfall zu 14N zerfällt, ist dies nicht möglich, da 14N in unterschiedlicher Konzentration sowieso schon vorhanden ist. Es wäre also unklar, ob gemessenes 14N somit durch Zerfall entstanden ist, oder ob es bereits vorhanden war:
"Die C14-Methode ist ein Spezialfall unter allen radiometrischen Datierungsmethoden, von denen die Uran/Blei-, die Kalium/Argon- oder die Rubidium/Strontium-Methode hervorzuheben sind. Allen radiometrischen Datierungsmethoden ist grundsätzlich gemeinsam, aus der Untersuchung nicht eines, sondern zweier oder mehrerer Isotope konsistente Zeitangaben gewinnen zu wollen. Diesen Vorteil bietet die C14-Methode nicht. Zwar wandelt sich ein C14-Atom unter Aussendung eines Elektrons in ein Stickstoffatom N14 um, doch Stickstoff ist in der Regel flüchtig oder von dem ohnehin in der Probe vorhandenen Stickstoff nicht zu unterscheiden. Deshalb fehlt ausgerechnet bei der wichtigsten Datierungsmethode für das Quartär die Möglichkeit, über die Vermessung von Tochter- und Mutterisotop die Stichhaltigkeit aller Annahmen prüfen zu können, die der Auswertung zugrundeliegen. Bei allen anderen geochronologischen Datierungsmethoden wird deshalb das gemeinsame Vorkommen von Mutter- und Tochterisotopen, vorzugsweise in Gesteinen und Mineralien, ausgewertet. Sie können sich dabei auf Mutterisotope konzentrieren, die – im Gegensatz zum C14 – auf der Erde nicht produziert werden, sondern bei der Entstehung der Erde dem Gestein in gewissem Umfang beigemengt gewesen sein müssen. Daraus leitet sich der Anspruch dieser Datierungsmethoden ab, eine radiometrische Chronologie für die ganze Erdgeschichte erstellen zu können." (Quelle: "C14-Crash" S. 41f.)

Willard Frank Libby ging ursprünglich davon aus, dass die 14 C Konzentration in der Atmosphäre konstant über alle Zeiten konstant war ("Fundamentalprinzip) und man einfach nur die Restaktivität des 14C messen müsste:
"Das Fundamentalprinzip sagt die zeitliche Konstanz und die globale Gleichförmigkeit der C14-Konzentration in der Atmosphäre voraus. Damit ist automatisch die Kenntnis der C14-Konzentration gegeben – die sog. »Startaktivität« –, mit der eine beliebige Probe in der Vergangenheit ihren Stoffwechsel beendet hat. In diesem Fall kann die Zeit, die seit dem Ende des Stoffwechsels der Probe bis zur Messung verstrichen ist, unmittelbar aus der gemessenen Restaktivität auf der Basis des Gesetzes für den radioaktiven Zerfall errechnet werden. Jede Einschränkung des Fundamentalprinzips zieht die Notwendigkeit nach sich, die vergangenen C14-Konzentrationsänderungen in der Atmosphäre chronologisch komplett zu rekonstruieren." (Quelle: "C14-Crash" S. 22)

Das Fundamentalprinzip stellte sich aber als falsch heraus:
"Libby kämpfte lange Zeit dagegen, das Fundamentalprinzips fallen zu lassen, und war sogar – im Verein mit etlichen Historikern – bereit, die anerkannte altägyptische Chronologie dort in Frage zu stellen, wo sie im Widerspruch zur C14-Chronologie Altägyptens stand. Doch ab 1958 wurde mit C14-Messungen an langen Baumringsequenzen immer unabweisbarer, daß die C14-Konzentration in der Atmosphäre in der Vergangenheit auf keinen Fall konstant gewesen sein konnte." (Quelle: "C14-Crash" S. 25)
Daher wurde es nötig die 14C Konzentration in der Atmosphäre zu rekonstruieren. Dazu wollte man 14C anhand von Daten der Dendrochronologie kalibrieren.  (Siehe Fig. 2)
Fig. 2: Kalibrierung der 14C Daten
durch eine Dendrochronologie
(Quelle: "C14-Crashkurs" S. 1)
Nun ergibt sich aber genau hier der Zirkelschluss, denn man hatte ja schon die Dendrodaten durch 14C vordatiert. Das ganze wäre, so die Hoffnung der Wissenschaftler, kein Problem, wenn die Konzentration von 14C zumindest annähernd konstant geblieben ist und es nur kleinere Schwankungen geben haben sollte. Wäre aber die Konzentration nicht konstant, sondern gäbe es eine kontinuierliche Zu- oder Abnahme des 14C Anteils in der Atmosphäre, so würde eine solche Methode zu einem sehr großen Fehler führen, der sich selbstständig reproduziert. Nehmen wir etwa an die Konzentration von 14C in der Atmosphäre wäre vor 3000 Jahren nur halb so gering gewesen, wie ursprünglich angenommen, so würde es den Anschein haben, dass vor den 3000 Jahren echtes Alter bereits die Hälfte des ursprünglichen 14C zerfallen ist. Die Halbwertszeit von 14C ist ca. 5730 Jahre. Das heißt man würde also eine Baumprobe die in Wirklichkeit 3000 Jahre alt ist, auf ein Alter von 8730±xy Jahre vordatieren. Passt dieser, nun grob datierte Baum, bei beispielsweise 8000  in die Reihe, so hätte man eine falsche Dendrochronologiereihe. Wird anhand dieser Chronologie die  14C-Kalibrierung vorgenommen, hätte man einen sehr großen Fehler. Das größte Problem bei einer konstanten Zu- oder Abnahme ist, dass diese in der Kalibrierungskurve nicht erkennbar wäre.

Ein Dendrochronologe wollte Niemitz und Blöss zwar mit folgender Grafik (Fig. 3) widerlegen (die sich auf die Phantomzeit im Mittelalter bezieht):

Fig. 3: Kritik eines Dendrochronologen  (Quelle: "C14-Crash" S. 196)


Es handelt sich aber bei dieser Argumentation um einen Trugschluss:
"Es wurde in dem erwähnten Brief folgender Einwand gegen die These von dem künstlich verlängerten Mittelalter formuliert, der hier insoweit von Interesse ist, als ein Mißverständnis über die Beziehung der unterschiedlichen Chronologien – Historische Chronologie, Radiochronologie, Dendrochronologie – deutlich wird: Unter Zugrundelegung besagter Mittelalterthese würden diejenigen Ringsequenzen fehlen, die auf die fragliche historische Zeit (900-600 AD) datiert werden müssen bzw. datiert wurden. Somit entstünde eine Lücke in der Abfolge der radiometrischen Daten, bzw. ein Sprung in der Kalibrierkurve (vergleiche dazu Bild 5.10 [Anmerkung melethron: Bild oben]), was dem radiometrischen und dendrochronologischen Befund nicht entspreche – weswegen die These eben auch unsinnig sei. Tatsächlich unsinnig wäre es, gemessene C14-Alter (im Rahmen der ausgewiesenen Genauigkeit) zu leugnen: Es ist absolut realistisch, für jedes theoretisch mögliche C14-Alter auch einen Baumring zu finden, der dieses C14-Alter durch die in ihm meßbare Restaktivität repräsentiert. Auf diesem Wege wird man auf Dauer immer eine Art lückenloser C14-Chronologie (was auch immer sie bedeuten möge) erstellen können, indem Baumringsequenzen nach dem von ihnen repräsentierten C14-Aktivitätsintervall geordnet werden (und zwar ohne sonstigen, insbesondere ohne dendrochronologischen Bezug). Ihre Abfolge zueinander wird dagegen in einer Baumringchronologie, die ausschließlich nach dendrochronologischen Gesichtspunkten erstellt wurde, mit der radiometrisch begründeten Abfolge nicht unbedingt übereinstimmen. Und die dendrochronologisch als signifikant erkannte Abfolge muß mit der richtigen historischen Chronologie auch nicht übereinstimmen. Jede Chronologie muß grundsätzlich als eine Welt für sich betrachtet werden." (Quelle: "C14-Crash" S. 195ff)

Die Zusammenfassung der Kritik ist also:
"Es ist möglich, dass ein C14-Ungleichgewicht in der Atmosphäre den bisher geglaubten Radiokarbonkalender um einen ganz erheblichen Faktor staucht oder streckt. Dabei geht es nicht um 10 %, wie bisher ›rekonstruiert‹, sondern um eine Größenordnung mehr. Mit dieser Möglichkeit bewegen wir uns in dem Rahmen, den die kritische Chronologie auf unterschiedlichen Ebenen als realistisch für das Holozän erkannt hat. Es geht mindestens um eine Halbierung wenn nicht sogar um eine Drittelung oder Viertelung des bisher für richtig erachteten zeitlichen Rahmens von 10.000 Jahren.
Dass sich dies in den Baumringchronologien nicht widerspiegelt, hat einen so einfachen wie auch ärgerlichen Grund: Welche Annahmen auch immer über die Geschichte der C14-Konzentration getroffen werden, genau diese Geschichte wird von denjenigen Baumringchronologien rekapituliert, die unter Rückgriff auf entsprechende C14-Vordatierungen erstellt worden sind. Man erkennt also:
  • Jede der beiden Datierungsmethoden hat einen auch sich selbst nicht  behebbaren Defekt: Chronologische Aussagen werden nur durch chronologische Hilfestellung von außen möglich.
  • Die gegenseitige chronologische Hilfestellung stellt einen Zirkelschluss dar, der sämtlich dendro- und radiochronologischen Aussagen entwertet.
Was die Chronologie des Holozäns angeht, wären damit alle Historiker wieder an die ›Zeichenbretter‹ zurückverwiesen – dort, wo sich die ›Chronologiekritiker‹ seit Jahrzehnten um eine saubere Chronologie des Holozäns bemühen." (Quelle: "C14-Crashkurs" S. 22)

Wenn also ein großer systematischer Fehler möglich wäre, den man nicht erkennen kann, dann stellt sich die Frage, ob die 14C-Methode - sofern man die "Schulbuchchronologie" nicht als gegeben akzeptieren will - unweigerlich verloren ist? Gibt es keine Möglichkeit einer unabhängigen Bestätigung dieser Methode? Ich denke die gibt es:
"Wir erwarten bei der Untersuchung der Warvenchronologien und der arktischen Eiskernbohrungen ähnliche Probleme wie bei dieser Erstchronologie. Wenn sie ohne Rückgriff auf die Kalibrierkurve der Bristlecone-Pine-Chronologie zu denselben (oder ausreichend ähnlichen) Ergebnissen hinsichtlich der C14-Aktivität in der Vergangenheit kommen, dann ist das schlecht für unsere Argumentation." (Quelle: "C14-Crash" S. 199; fett von mir)

Die erwähnten Eiskernbohrungen haben nämlich eine unabhängige Chronologie (etwa: GICC05) an der man jährliche Lagen erkennen kann (Siehe Fig. 4). Diese weisen eine gute zeitliche Auflösung (jedoch mit ansteigendem Alter geringer werdend) auf, die sich wieder durch unabhängige Tochter/Mutterisotop Datierung durch paläomagnetische Daten des Laschamp Events bestätigen lässt.

Fig. 4: Grönländischer Eisbohrkern mit klar erkennbaren jährlichen Schichten (Quelle: wikipedia)

Das ist aber bei weitem nicht alles. Im nächsten Teil dieser Serie werde ich darstellen, weshalb ich die Kritik als nicht (mehr) haltbar ansehe, wenn man das "big picture" betrachtet. Dazu werde ich, neben den bereits erwähnten Eiskernen, auf eine Vielzahl von naturwissenschaftlichen Methoden eingehen:
Schaut man nämlich auf die Vielzahl der Datensätze für aktuelle Kalibrierungskurven wie IntCal09 und beachtet man noch die geomagnetischen Rekonstruktionen die unabhängig von 14C gewonnen wurden, so sieht das Ganze deutlich besser für die 14C-Datierung aus. Doch dazu mehr im zweiten Teil.

Ich habe darüber hinaus noch Kontakt mit Christian Blöss aufgenommen. Dieser war an meinen Kritikpunkten und einem wissenschaftlichen Disput  sehr interessiert - und bedankte sich sogar für die Herausforderung. Er ist bereit sich wiederholt in das Thema einzuarbeiten (er hat sich nach "C14-Crash" nicht mehr damit befasst) und mit mir meine Kritikpunkte zu besprechen. Sofern dieser damit einverstanden ist, werde ich dann im dritten Teil der Serie auf das Ergebnis unserer Debatte eingehen.

to be continued....

13 Kommentare:

  1. Danke. Es ist schön, einen Bericht zu lesen, wenn der Autor dem Ergebnis offen gegenübersteht und sich erfolgreich um wissenschaftliche Exaktheit und um gute Lesbarkeit bemüht.
    Ich traue Ihnen zu, diese Frage "endgültig" zu beantworten.
    Alles Gute und viel Freude an dieser Arbeit.
    Ich lese die weiteren Beiträge auf jeden Fall :)

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  2. Das Tolle ist, dass auch Christian Blöss bereit ist mit mir ergebnisoffen zu diskutieren. Ich hoffe sehr, dass ich von ihm aus über das Ergebnisse unserer Diskussion berichten darf. Außerdem werde ich ihn auch noch fragen, ob er noch Punkte hat, die er für eine Kurzfassung der Kritik für relevant hält.

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    1. Habe diesen ersten Teil mit großem Interesse gelesen. Würde gerne auch den angekündigten zweiten Teil lesen, kann ihn aber nicht finden. Die Diskusion mit Christian Blöss würde mich ebenfalls sehr interessieren.
      Beweisen die Eiskernbohrungen eindeutig, dass die Kritik an C14 - Datierung ungerechtfertigt sind?
      Bis welches Jahrtausend ist die zeitliche Auflösung der jährlichen Lagen in den Eiskernen noch deutlich erkennbar?

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    2. Hey Anonym, ich habe das Thema nicht mehr wirklich weiter verfolgt und denke auch nicht, dass ich hierzu nochmal was mache. Heinsohn hat sich schon so dermaßen disqualifiziert, als er mal kurz die komplette Zeit zwischen mykenischem Feudalismus und attischer Polis wegdichtet und dazu nur eine einzige Quelle anführt und in dieser das Gegenteil steht (Vgl das Preview). Sich mit sowas auseinander zu setzten ist verschwendete Zeit. Was Christian Blöss angeht, eine wirkliche Diskussion hat sich nie ergeben. Das war ein kurzer Austausch über email und skype. Aber ich hab das auch nicht weiter verfolgt, fand aber sein Bereitschaft und seine Offenheit sehr positiv.

      Was nun die Eiskernbohrungen angeht, nein die beweisen gar nix, da es auch abgetaute Jahresringe gibt. Eben so wenig kann man bei Uran Thorium eine Frischwasserkontamination ausschließen. etc etc. Das wichtige in meinen Augen ist aber, dass das Gesamtbild recht konsistent ist.

      Das aller Wichtigste ist aber: Absolutdatierungen sind irrelevant für die archäologische Praxis. Ich arbeite mittlerweile in der Archäologie und nenne mal einen praktischen Fall. Wir haben einen Gruppenbestattung mit über 40 Individuen. Keines der Individuen ist über 25 Jahre alt. Da wir auf einem christlichen Friedhof graben, gibt es quasi keine Grabbeigaben. Stratigraphisch können wir auch keinen Aufschluss über die Zeitstellung bekommen. Was machen wir also-> C14 um die Zeitstellung zu erhalten. Da geht es aber nicht darum eine absolute Jahreszahl zu bekommen sondern ein Einordnung in die relative Zeitstellung zu bekommen. Wenn da etwa 1630+-25 oder so rauskommt, dann juckt diese Zahl eigentlich nicht, sondern nur der Fakt, dass das eben im Zeitraum des 30ig jährigen Krieges ist und es somit Opfer desselben sein könnten. Wenn nun C14 davon nicht absolut stimmt so passt die relative Zuordnung dennoch.

      Anderes Beispiel ist von einem Kollegen der die Grabungstechnik am Keltenblock macht (http://www.keltenblock.de/). Die haben eine Nebenbestattung im Grabhügel die 20cm überhalb des Bodens liegt (und somit auf jeden Fall zu späterem Zeitpunkt bestattet wurde). Die Frage ist nun: auch keltisch oder vielleicht sogar mittelalter/Neuzeit? C14-> grobe Einordnung.

      Jetzt mag man Einwenden: Was ist aber, wenn die C14 Kontentration so ser schwankt, dass es nicht nur kleine Plateaus wie das Hallstatt Plateau gibt, sondern richtig große, dass man etwa gleiche Daten für Hallstatt und Mittelalter bekommt....

      Da ist eben auch wieder der Punkt, dass man sehr häufig schon eine stratigraphische Einordnung hat. Wenn es bei C14 so gravierende Fehler gäbe, das was mittelalterliches auf Hallstatt fällt etc, dann wäre das schon längst aufgefallen.

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    3. Vielen Dank für die schnelle Antwort!

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  3. Ich hoffe dass ihnen ein großes Meisterstück gelingt. Da haben sich aber schon andere Personen die Haare gerauft, es ist eben nicht leicht und fordert nicht nur die Intelligenz des Menschen.
    Man braucht auch etwas Glück, Gedanken und Menschen die weiterhelfen können.
    Ich hoffe es kommt ihnen zu.
    alles Gute
    Frank

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  4. Hi, ist nicht die Kernthese von Heinsohn:

    "Die Geschichte des Vorderen Orients ist verdoppelt, zum Teil verdreifacht worden. Der Autor zeigt im Detail, wie diese Vervielfachungen geschehen sind. Damit ergeben sich fiktive Reiche wie die Sumerer des 3. Jtsd. v. Chr., die in Wahrheit Chaldäer des 1. Jtsd. v. Chr. sind " (Buchbeschreibung von Heinsohn: "Die Sumerer gab es nicht" bei amazon.de)

    Wenn ich Heinsohn richtig verstehe, dann sagt er: "die Sumerer sind eine Verdopplung der Chaldäer", und führt das darauf zurück, wie die moderne Chronologie für Ägypten entstanden ist. D.h. er argumentiert gar nicht in erster Linie mit den naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden, sondern schaut sich an, wie die heutige Chronologie (historisch) zustandekam, betrachtet also die Chronologie aus der Perspektive eines Wissenschaftshistorikers, und kritisiert sie aus dieser Sicht.

    Dabei geht er von Velikovskys "Theses for the Reconstruction of Ancient History" aus, deren erste paar lauteten:

    "1. Ancient History before the advent of Alexander the Great is written in a chaotic manner. It is entirely confused, and is a disarray of centuries, kingdoms and persons.

    2. The cause of this confusion lies in an incorrect representation of the Egyptian past; and since the history of Egypt is chosen to serve for orientation in compiling the histories of other peoples of antiquity, the histories of these other peoples are brought into disorder as well. The error in Egyptian history consists of six to seven and, in some places, eight centuries of retardation.

    3. Histories of Palestine, Syria, Babylonia, Assyria, Mycenae, Classical Greece, Chaldea, Phoenicia, and Caria, are written in duplicate form, with the same events repeated after a period of six or seven centuries. The confusion of centuries makes the life of many personages double; descendants are transformed into ancestors, and entire peoples and empires are invented." (http://www.varchive.org/ce/theses.htm)

    Heinsohn will nun über Velikovsky hinausgehen und wirft diesem daher Bibelfundamentalismus vor. C14 ist dabei eigentlich Nebensache, Heinsohn beschäftigt sich damit gar nicht im Detail (Blöss schon, der ist Physiker).

    Ausgangspunkt der Chronologiekritik war nicht C14, sondern wahrgenommene Unstimmigkeiten in der modernen Geschichtsschreibung / Chronologie und der Versuch, deren Zustandekommen aufzudecken und sie zu "korrigieren". Daraus ergab sich dann die Hypothese, daß mit den konventionellen Datierungen, die ja auch auf C14 basieren, etwas nicht stimmen kann.

    Ich schätze, Du wirst wohl die gesamte Argumentation berücksichtigen müssen - good luck, mir wäre das entschieden zuviel.

    Was mich an der ganzen Geschichte eigentlich mehr als die Frage nach C14 interessieren würde, wäre: was war eigentlich Velikovskys Agenda, und was ist Heinsohns "hidden agenda"?

    moneymind

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  5. @moneymind:

    Schon klar, dass das nicht Heinsohns Argumentation ist. Aber nehmen wir mal an man kann Proben aus den entsprechenden Zeiten absolut datieren,... dann muss ich die gesamte Argumentation eben nicht (!) berücksichtigen und diese löst sich in ein "Logikwölkchen" auf. Die naturwissenschaftlichen Methoden sind nicht perfekt, aber von Messfehlern in der Größenordnung von 2000 Jahren gehe ich nicht aus.

    Außerdem arbeiten Blöss und Niemitz sauberer, als Heinsohn (vgl. Preview) und das Thema interessiert mich sowieso.

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  6. Mh ok, verstehe.

    Mich würde aber schon interessieren, inwiefern an der Behauptung was dran ist, die "Sumerer" seien eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, von der kein antiker Historiker etwas gewußt habe; sie seien in Wirklichkeit die Chaldäer gewesen, von denen die antiken Historiker zu berichten wissen.

    Ganz laienhaft fällt mir dazu ein:

    "Ur in Chaldääa" kennen wir ja aus der Bibel (ich erinnere mich da ganz vage an den Konfirmandenunterricht - da soll der Vater des biblischen Abraham hergekommen sein). Von "Sumer" war da nicht die Rede. Heute wird Ur als "sumerische" Stadt bezeichnet (wikipedia).

    Würde mich schon interessieren, welche unterschiedlichen Erklärungsmodelle der Mainstream und Heinsohn dafür anbieten.

    Vermutlich vermutet der Mainstream da eine "Logikwolke" bei Heinsohn und den antiken Historikern, Heinsohn dagegen bei den modernen Historikern?

    Falls Du dazu kommen solltest, werde ich Deine Erkundungen dazu auf jeden Fall interessiert verfolgen.

    Viele Grüße + viel Erfolg!
    moneymind

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  7. @moneymind:

    Was die Bibel angeht so ist es nicht verwunderlich, dass die von Chaldäa sprechen. Der Pentateuch wurde zur Zeit des Neubabylonischen (chaldäischen) Reiches verfasst. Ist eigentlich nichts anderes als wenn ich heute von "Ur im Irak" spreche.

    Was übrigens Bibel und die Sumerer angeht. Das wäre doch eigentlich ein Thema für deinen Mythologievergleich. Sumererische Religion:

    -Erschaffung der Menschen durch das göttliche Wort
    -Erschaffung nach göttlichem Ebenbild
    -Baum mit Schlange in der Wurzel als Symbol der Unterwelt
    -Vertreibung der Bewohner aus dem Baum
    -Sintflut und Ziusudras Arche
    -Sprachverwirrung a la Turm zu Babel

    Also für mich sieht das eher aus als ob das alte Testament durch mündliche Überlieferungen durch den Stamm des "Sumerers" Abraham (ca. 2000-1500 v.u.Z) entstanden ist. In der Niederschrift um ~500 v.u.Z wurde dann von "Ur in Chaldäa" gesprochen, da eben zu DIESER Zeit Ur im Neubabylonischen Reich lag.

    Zum Vergleich der Bibel mit der sumerischen Religion gibt es auf wiki einen Link:

    http://www.bibleorigins.net/YahwehYawUgarit.html

    Das wäre doch eigentlich echt ein Thema für dich. Falls du mal dazu was liest, könntest du ja hier einen Gastbeitrag zu der Serie schreiben. Würde mich freuen.

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  8. Hi, ich muss da mal abbrechen, da ich mich zu dem Thema schlicht zuwenig auskenne und auch nicht die Zeit habe, mich einzulesen. Bin aber gespannt, zu welchen Schlüssen Du zu Heinsohns chronologiekritischen Thesen kommst, nachdem Du "Die Sumerer gab es nicht" und "Wie alt ist das Menschengeschlecht" gelesen hat (ich hab beides nicht gelesen).

    Zum Mythologievergleich: mich interessiert mehr der Vergleich von gemeinsamen Themen und Motiven geographisch weit auseinanderliegender mythologischer Traditionen, bei denen eine diffusionistische Erklärung (Ausbreitung durch Kulturkontakt) unwahrscheinlich erscheint.

    Also Vergleich von Traditionen aus China, Mesoamerika, Australien, Afrika, Europa, Nordasien (Sibirien), etc.

    Die Frage, wie sich solche Gemeinsamkeiten trotz mangelnden Kulturkontakts erklären lassen könnten, finde ich spannend.

    Gruß
    moneymind

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  9. @moneymind:

    Ist halt teilweise das Problem, dass sich der Kontakt nicht zwangsläufig ausschließen lässt.

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  10. Ja, genausowenig wie er sich "zwangsläufig" nachweisen läßt. Es bleibt also, die Argumente der verschiedenen Positionen dazu zu vergleichen, und sich so ein Bild von relativen Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten zu machen, schätze ich.

    Beispielsweise würde ich bei geographisch weit auseinanderliegenden Kulturen mit auffälligen Gemeinsamkeiten in der Mythologie (z.B. Mesoamerika, Australien, China, Europa) bei einem gemeinsamen geographischen Ursprung erwarten, daß dann auch in der materiellen Kultur und der Sprache entsprechende Gemeinsamkeiten feststellbar sind, etc.

    Ich bin Laie und beschäftige mich mit dem Thema aus verschiedenen Motiven heraus, aber ohne jeden Anspruch, "wissenschaftliche Wahrheiten" verkünden zu wollen - ähnlich wie Conard, der sagt, zur "Venus vom Hohlefels" könne wenig gesichertes sagen, aber eine Menge Geschichten erzählen (sein Roman).

    Gruß
    moneymind

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